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> Ost trifft West > Deabatten > Stirbt der letzte Funken Toleranz auf dem Balkan? (von Ernst Gerlach) Verhandlungen zu einem möglichen Dayton II, Prozessauftakt gegen Karad¾iæ - man sollte meinen, Bosnien-Herzegowina sei in aller Munde. Eine aktuelle Reise nach Sarajevo zeigt ein ganz anderes
Bild: Nach den Verhandlungen in Dayton hat die Welt Bosnien-Herzegowina allein gelassen, allein gelassen mit allen Problemen:
Ja, selbst die größte Leistung dieser historisch bedeutenden Stadt steht auf des "Messer's Schneide": Jahrhunderte lang haben die verschiedenen Religionsgemeinschaften (Orthodoxe, Muslime, Christen und Juden) in Sarajevo vorgelebt, wie nicht nur ethnische, sondern auch religiöse Toleranz aktiv gelebt werden kann. Nunmehr haben radikal-religiöse Führungen aus dem Ausland erkannt, dass diese einst so tolerante Stadt ein fruchtbares Akquisitionsareal für Fundamentalisten sein kann. Ansonsten aber bewegt sich nichts - 15 Jahre lang. Dayton hat - vielleicht in guter Absicht - die Strukturen verfestigt:
Und die internationalen Organisationen? 1995, als mit ihrer Hilfe der Frieden ins Land kam, sah die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina in ihnen die Garanten für eine friedliche, tolerante und erfolgreiche Zukunft des Landes. Bis zur Jahrtausendwende haben die internationalen Organisationen das Land überschüttet mit allen möglichen Hilfen: finanziellen, Truppen, Beratern und Gutmenschen. In der Zwischenzeit ist die "internationale Hilfskolonne" weiter gezogen; nur wenige sind geblieben, nur Weniges hat gefruchtet. Langfristige Zukunftsentwürfe rücken immer weiter in die Ferne, obwohl sie für die Bevölkerung oft die einzige Hoffnung sind, z.B. der Beitritt des Landes zur Europäischen Union. Obwohl die EU die Beitrittsbedingungen für das Land immer stringenter abverlangt (u.a. gravierende Verfassungsänderungen, die das Land aufgrund der ethnischen und religiösen "Ausdifferenzierung" in Folge von Dayton kaum von Innen heraus wird regeln können), klammern sich die Menschen verzweifelt an dieses "EU-Hoffnungsseil". Selbst die gerade stattfindende Diskussion in der EU über Reiseerleichterungen für die Nachbarstaaten Kroatien und Serbien, nicht jedoch für Bosnien-Herzegowina, kann ihnen anscheinend diese Hoffnung nicht nehmen: Auch wenn einige wenige kritische Geister fragen, warum die EU die "Täter" mit Reiseerleichterungen für die EU "belohnt", die Opfer aber erneut abstraft, gibt die Mehrheit die Hoffnung auf einen EU-Beitritt nicht auf, "vielleicht in 15, 20 Jahren". Ob das Land so lange noch eine Chance hat? Schon reden nationalistische Kräfte in der Republika Srpska von einer Abspaltung und einem Anschluss ihrer Teilrepublik an Serbien, obwohl die jetzige Verfassung einen solchen Schritt über eine Volksabstimmung nicht vorsieht. Bringen die Verhandlungen zu einem Dayton II Lösungsansätze? Dann aber müssten sich die internationalen Kräfte (EU, Amerikaner, internationale Polizeikommission, EUFOR) aus ihrer passiven Rolle herausbewegen und die von ihnen mitbewirkten statischen Strukturen auflösen helfen. Bosnien-Herzegowina wird das, anders als die Internationalen erwarten, nicht intern und aus sich heraus lösen können. Natürlich werden auch die weit über 40.000 ins Ausland geflüchteten Bosnien-Herzegowiner mithelfen können und müssen: mit Kapitaltransfers in die alte Heimat, aber auch durch persönliche Rückkehr. Nur wenn dies alles zusammenwirkt, hat dieses Land mit seiner unendlichen, vorbildlichen Toleranz eine Zukunft. Nach 15 Jahren Stillstand spüren es die Menschen dort. Um ihre Hoffnung und ihre Stimmung zu stabilisieren, brauchen sie ein kurzfristig realisierbares Zukunftsmodell - und, wenn möglich, als kurzfristigen Hoffnungsschimmer für alle, den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika! Ernst Gerlach, Oberhausen
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