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trifft West > Deabatten > Antwort auf Ernst Gerlach (von Roland
Matzdorf)
Liebe Freunde,
ich beziehe mich auf Ernst Gerlachs Reiseeindrücke und seine Schlussfolgerungen,
die ich - ebenso wie die meisten von euch - grundsätzlich teile. Gleichwohl
ist mir der Tenor doch zu hoffnungslos und negativ und deshalb will ich
aus meiner Sicht einige Hinweise und Einschätzungen anfügen, die zwar
nicht die Richtung und Schwerpunktsetzung der Analyse verändern, aber
zumindest ergänzt werden sollten.
- Ich habe die Einschätzung in guter Erinnerung, dass
trotz aller unbestrittenen Probleme und Schwierigkeiten durchaus auch
eine wachsende Anzahl von Menschen in beiden Entitäten (was für ein
schrecklicher Begriff!) sieht, dass dieser ethnisch getrennte Weg in
die Sackgasse führt und deshalb einen gesamtbosnischen Weg unterstützt.
Der bosnische Referent Edhem Musikic sprach von einem Potential von
ca. 20%, das ggf. hierfür in Wahlen zu mobilisieren wäre.
- Die EU hat ein nicht zu unterschätzendes Druckpotential
mit der Mitgliedschaft und den daran hängenden Aufnahmekonditionen.
Weder Russland noch China sind als starke wirtschaftliche Partner eine
Alternative zur EU für Bosnien und Herzegowina und deshalb werden auch
die Vertreter der Wirtschaft Druck auf die politisch Verantwortlichen
ausüben, damit das Land am Rande Europas nicht absäuft und weder direkte
Unterstützung noch die Marktzugänge der EU erhält.
- Ich habe in den Augen der Menschen in der Stadt keine
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung gesehen, wie es angesichts der desolaten
politischen und wirtschaftlich-sozialen Lage anzunehmen gewesen wäre;
vielmehr war das Leben und waren die Leute in der Stadt sehr geschäftig
(ohne Touristen!). Klar, das waren nur die Hauptstädter und auf dem
Land sieht es sicher anders aus, aber wenn die Körpersprache nicht täuscht,
ist doch auch Hoffnung sichtbar.
Insgesamt kann und will ich einfach nicht glauben, dass
vernünftige und gebildete Menschen diesen Spaltungsprozess noch weiter
vertiefen und nicht wieder an die alte Tradition des guten Miteinanders
anzuknüpfen vermögen... 40% Mischehen und 400 Jahre der friedlichen Koexistenz
können doch nicht spurlos an den Leuten vorbei gegangen sein, ohne nachhaltige
Spuren zu hinterlassen...oder?
In der Hoffnung auf die Vernunft und die Liebe
grüße ich euch herzlich
Roland Matzdorf, Essen
November 2009
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